Berliner Schachgeschichte(n), Ausgabe 8

Justizrat Levy wohnte in der Mohrenstraße 53, kaum zwei Minuten von der Friedrichstraße, in der das Brausen der Weltstadt auch damals schon zu keiner Tages- oder Nachtzeit verstummte. Am Morgen des 18. Oktober 1896, eines Sonntags, etwa gegen fünf Uhr lag der alte Justizrat und seine Gattin noch im tiefen Schlaf. Da plötzlich drangen zwei Mordbuben in das unverschlossene Schlafzimmer. Einer dieser Mordbuben stieß mit einem Dolchmesser sofort auf den schlafenden Justizrat los und verwundete ihn im Genick, am Kopfe und an der Brust. Der alte Herr fuhr in die Höhe. Das Geräusch, das hierbei entstand, weckte auch seine Frau. Diese sprang, während fast zu gleicher Zeit auch der Mann aus seinem Bette halb herausfiel und halb herausstieg, auf und eilte, um Hilfe schreiend, an dem Bette des Mannes vorbei, nach dem Zimmer zu, in dem das eine Dienstmädchen schlief. Dabei erhielt sie von dem einen Mordgesellen zwei Messerstiche in Schulter und Hand, die glücklicherweise nicht gefährlich waren. Justizrat Levy schleppte sich seiner Frau nach zu dem Schlafzimmer des Dienstmädchens und brach hier zusammen. Das Mädchen, das unterdessen wach geworden war und sich halb angekleidet hatte, brachte, den alten Herrn in das Schlafzimmer zurück und legte ihn in das Bett seiner Frau, weil sein eigenes mit Blut über und über besudelt war. Dann eilte es auf die Straße den Mördern nach, die inzwischen geflüchtet waren. Gegenüber dem Levyschen Hause hielten in der Mohrenstraße vier Droschken. Der Kutscher der letzten nahm das halbnackte Dienstmädchen, das bald nach den Mörder auf die Straße kam, wickelte es in Decken, setzte es in seine Droschke und suchte nun von ihm zu erfahren, was vorgefallen sei. Das Mädchen war aber vom Schrecken so gelähmt, daß es eine verständliche Mitteilung nicht machen konnte. So kam es, daß man sich nicht sofort an die Verfolgung der Verbrecher machte, die man sonst mit einer Droschke wohl hätte einholen können. Ehe man recht wußte, um was es sich handelte, waren die Verbrecher entkommen. Vier Ärzte aus der Nachbarschaft wurden herbeigerufen, sie vermochten jedoch das Leben des alten Herrn nicht mehr zu retten. Ein Stich, der von der Achselhöhle aus in die Brust eingedrungen war, war tödlich gewesen; um 8 3/4 Uhr starb der Verwundete, ohne daß er imstande gewesen wäre, über die Mörder und ihre Tat noch etwas mitzuteilen. Die Verletzungen der Frau erwiesen sich als ungefährlich.

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