Berliner Schachgeschichte(n), Ausgabe 8

Am 1. Dezember 1896 hatten sich beide Mörder vor der neunten Strafkammer des Landgerichts Berlin I wegen Mordes, Mordversuchs und wegen mehrerer, zum Teil schwerer, mittels Einbruchs begangener Diebstähle zu verantworten. Den Vorsitz des Gerichtshofes führte Landgerichtsdirektor Hoppe. Die Anklage vertrat Staatsanwalt Müller II. Zu Verteidigern waren vom Gericht bestellt die Rechtsanwälte Dr. Paul Ivers und Hoffstädt. Da die Angeklagten zur Zeit der Tat noch nicht achtzehn Jahre alt waren, konnten sie nicht vor die Geschworenen gestellt und weder zum Tode noch zu Zuchthaus verurteilt werden.

Der Andrang des Publikums nach dem kleinen Schwurgerichtssaal des alten Moabiter Gerichtsgebäudes, in dem die Verhandlung stattfand, war enorm. Mehrere Gerichtsdiener und Schutzleute, unter dem Kommando eines Polizeioffiziers, sorgten für Aufrechterhaltung der Ordnung.

Als die beiden Angeklagten von zwei Schutzleuten auf die Anklagebank geführt wurden, ging eine lebhafte Bewegung durch das Publikum. Der Angeklagte Werner war weit kleiner als Grosse. Beide machten den Eindruck ganz unreifer Burschen. Grosse trug noch einen Verband um einen Finger der linken Hand. Er hatte sich bei der Mordtat verletzt. Bei dem Betreten des Anklageraumes bedeckte brennende Röte sein Gesicht, er stierte zu Boden und begann zu weinen. Werner war vollständig ruhig; er verfolgte ganz genau die Vorgänge, die sich vor ihm abspielten, namentlich als die Zeugen aufgerufen wurden. Als Sachverständige waren die Gerichtsphysici Dr. Long und Dr. Störmer und die Ärzte Dr. Opfer, Dr. Hadra und Professor Israel zur Stelle. Zwecks Begutachtung des Geisteszustandes des Angeklagten Grosse wohnte Medizinalrat Dr. Menger der Verhandlung bei.

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