Das Gästebuch des Schach-Club Turm 1898

Gästebuch Schach-Club Turm 1898 zum Download

Das “Gästebuch Schach-Club Turm 1898” ist zwar, wie eine erste Sichtung zeigt, immer wieder lückenhaft geführt, jedoch mit einer Abdeckung des Zeitraums 1906 bis 2001 gleichzeitig ein wichtiges Dokument der Geschichte dieses früheren Berliner Vereins. Anlässlich des Lasker-Tages beim Schach-Club Kreuzberg konnten wir dieses Buch mit Notizen zu Emanuel Lasker im Club zeigen.

Der ursprüngliche Zweck des Buches ist klar erkennbar. Ab dem 14. November 1906 werden die Namen der Gäste, der Stand (Beruf), die Postanschrift und die Vereinszugehörigkeit notiert. Fein säuberlich werden als Bemerkung Aufnahmegesuche und genehmigte Mitgliedschaften vermerkt.

Die letzten Eintragungen sind dünne Notizen vom 1. und 2. Turm-Open aus den Jahren 2000 und 2001.

Zwischen diesen Jahren wurde das Buch „dem Bedarf angepasst“ verwendet. Da gerade die ersten Listen sowohl Einträge in moderner Schrift, aber auch noch häufig in Sütterlin-Schrift und Current-Schrift sammelten, meist als „Klaue“ vorliegend, verlor sich schon nach wenigen Jahren jegliche Ordnung.

Im frühen 20. Jahrhundert veranstaltete der SK Turm mehrere Vortragsabende bekannter Schachmeister, aber auch die Geselligkeit kam nicht zu kurz. Ob es bei der “Schachlichen Veranstaltung zu Ehren unseres 10jährigen Bestehens, am 7. October 1908” war oder wenige Oktobertage danach lässt sich nicht herauslesen, aber Eintragungen mit Bleistift von Kurt Moll (+1915, Ostfront) und Eduard Lasker im Buch heben sich ab. Kurt Moll merkt an, dass er Einzelmitglied des D.S.B. ist (Stimmrecht!). Hinter Eduard Laskers Eintrag findet sich die launige Selbsteinschätzung “Weltmeister in spe.” Darunter ein Kommentar: “Halten Sie den Namen hoch! E.L” Dieser zweite Kommentar zeigt aber deutliche Merkmale der Handschrift Emanuel Laskers!

Emanuel Lasker musste für diesen Kommentar nicht lange blättern, denn sein eigener “Vortrag u Simultanspiel” ist auf den Folgeseiten vermerkt. Am 13.12.1908 finden sich unter den Teilnehmern am Simultanspiel z. B. die Brüder Egon (Billiard- und Schach-Caféhausbesitzer) und Hugo Kerkau (Billiard-Weltmeister), der jugendliche Kurt Pahl (*1892), der 1920 beim ersten Nachkriegskongress des DSB in Berlin den Titel des Bundesmeisters erringen konnte.

Auch wenn einige Zeilen mit einem Datum des Folgejahres diese erste Simultanveranstaltung scheinbar eingrenzen, folgt auf den nächsten beiden Seiten des Gästebuches eine weitere Namensliste mit Brettnummern. Offenbar gab es eine zweite Runde am selben Abend mit 25 Brettern und der Möglichkeit sich zu beraten! Die Unart, freien Platz auf einer Seite, zu einem späteren Zeitpunkt voll zu schreiben, wird im Gästebuch leider gelegentlich praktiziert.

Es haben sich an Brett 1 bis 3, wie in der ersten Runde, Schachamateure einen Platz reserviert: “Lachmann”, “Dr. Kiehl” und “Egon Kerkau”, dahinter weitere häufiger genannte Namen. “Harder” erscheint meist und spielt an diesem Tag auch im Team mit Herrn Prof. Dr. chem. Graf “Detsinyi”, einem Mitglied des SK Turm. “Schmischke, Thelen, Blumenfeldt” kämpfen auch für den “Turm”, Willy “Zastrow” vom “Turm” tut sich wohl mit einem von mehreren möglichen “Levy”, alle in der Schachgesellschaft beheimatet, zusammen.

Kein Zweifel, mit Eintragungen aus den Vor- und Nachkriegsjahren beider Weltkriege, über die 60er Jahre, bis hin zur Zeit nach der Wiedervereinigung gibt es in diesem Buch noch viel zu entdecken. Die letzte Spielsaison des Schachklub Turm 1898 in der BMM 2010/11 endete mit einem Abstieg in die 3. Klasse. Aus nach 113 Jahren. Schade.

Wir danken den ehemaligen Mitgliedern des SK Turm 1898 – inzwischen Mitglieder des Schach-Club Kreuzberg – dafür, dass uns das Gästebuch zur Verfügung gestellt wurde. Es steht nach Abschluss der Erfassung in unserer Bibliothek und kann dort eingesehen werden.

Andreas Lange

Diese Excel-Datei enthält eine Übersicht über alle Seiten und Einträge des Gästebuchs (Andreas musste dafür aber erst mal Sütterlin lernen)

 

4 Gedanken zu „Das Gästebuch des Schach-Club Turm 1898“

  1. Vielen Dank an Andreas Lange für seine akribische und ausführliche Arbeit mit dem Gästebuch des SK Turm 1898. Die Abbildungen und auch besonders die Excel-Datei, für die er einige Namen und Unterschriften entziffern musste, geben einen interessanten Überblick natürlich über die Geschehnisse im Verein SK Turm 1898, aber auch über das Schachleben zu Beginn des 20. Jahrhunderts und später.

    Natürlich auch einen herzlichen Dank an die ehemaligen Mitglieder des Vereins, die inzwischen in jeder Hinsicht bei uns angekommen sind, dafür, dass sie das Gästebuch mitgebracht haben und es zumindest zunächst unserer Bibliothek zur Verfügung gestellt haben (nur “Lesesaal”).

  2. Die Datei ist nur angefangen. Das Buch ist umfangreich und enthält noch viele bemerkenswerte Einträge. Berliner Anschriften in alter Handschrift lassen sich manchmal in Verzeichnissen alter Postbezirke identifizieren und helfen bei der Entzifferung der davor stehenden Namen. Ich kann aber auch Vergleiche mit den Mitgliederlisten in den Jahresberichten der Berliner Schachgesellschaft und der versteckten Liste hinten im Turnierbuch “Barmen 1905” ziehen.
    Ganz einfach, also.

  3. Servus Andreas,

    schöne grüße von der weiten ferne vom Bodensee.
    Beeindruckende Sache, da kann ich nur den Hut ziehen vor dir!

    der Lewi

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