Der Berliner Schachverband boykottiert Kortschnoi-Simultan

Brigitte Große-Honebrink

Im Vorfeld des Simultan-Veranstaltung mit der Schachlegende Viktor Kortschnoi gab es zwischen dem Veranstalter und dem Berliner Schachverband einige Streitigkeiten. Es war zum Beispiel nicht gestattet, die Werbung für dieses Ereignis auf der Homepage des Berliner Schachverbandes zu veröffentlichen. Meine eigenen Versuche, die Informationen zu dieser Veranstaltung bei „Aktuelle Nachrichten“ unterzubringen, scheiterten. Auf meine Nachfrage im Forum der Homepage wurde erklärt, dass die Amputierten-Initiative ein Hauptorganisator dieses Events sei. Und weil dieser Verein den Berliner Schachverband in einem anderen Zusammenhang in ein schlechtes Licht gestellt habe, mache man nun keine Werbung. Punkt.

Sollte da mal wieder eine persönliche Fehde im Spiel gewesen sein? Und sollten die Berliner Schachspieler, die daher vielleicht nichts von dem Ereignis erfahren, die Gelackmeierten sein? Wird nicht auch die Lasker-Gesellschaft, der namhafte Spieler wie GM Lothar Schmid, GM Wolfgang Unzicher, GM Viktor Kortschnoi, GM André Lilienthal (ältester Großmeister der Welt und Ehrenmitglied), GM Helmut Pfleger, GM Wolfgang Uhlmann, Prof. Ekkehard Freise und WGM Edith Keller-Hermann angehören, vom Berliner Schachverband vor den Kopf gestoßen?

Ich wollte der Sache auf den Grund gehen und habe daher mit dem Vorsitzenden der Lasker-Gesellschaft, Herrn Paul Werner Wagner, dem stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Dr. Michael Dreyer, und der Mitarbeiterin, Frau Susanna Poldauf, am Rande der Veranstaltung ein Gespräch geführt. Aus dem Inhalt des Gesprächs:

Der Veranstalter dieser Simultan-Veranstaltung ist das Casino Berlin, das es sich zum Ziel gesetzt hat, eine Benefiz-Veranstaltung im Zusammenhang mit Schach zu organisieren. Ein Teil des Erlöses sollte dabei der Amputierten-Initiative e. V. zukommen. Der andere Teil war der Lasker-Gesellschaft e. V. zur Restaurierung des Lasker-Hauses in Thyrow (Brandenburg) zugedacht. Die Lasker-Gesellschaft wurde vom Casino gebeten, die Organisation zu übernehmen, was diese natürlich gerne getan hat. Die Gesellschaft konnte GM Viktor Kortschnoi für die Veranstaltung gewinnen und dem verdienten Schachgroßmeister so in seinem 70. Geburtstagsjahr eine besondere Ehre erweisen.

Außerdem hat sich die Lasker-Gesellschaft bemüht, das Ereignis in Berlin bekannt zu machen. Doch da gab es so einige Behinderungen, um nicht zu sagen ein massives Störfeuer durch den Präsidenten des Berliner Schachverbandes, Herrn Seppelt. Denn beim Berliner Schachverband gibt es noch eine offene Rechnung mit der Amputierten-Initiative, die ja zur Hälfte von dieser Veranstaltung profitieren sollte. Daher wurde der Lasker-Gesellschaft keine Erlaubnis erteilt, den Verteiler des BSV zu benutzen, um die Vereine zu informieren. Für die Webseite des BSV wurde eine Nachrichtensperre verhängt (ein Wunder, dass man im Forum zu dem Thema schreiben durfte). Dass dann noch jede Menge herumtelefoniert und sich beschwert wurde, kann sich, wer Herrn Seppelt kennt, bildlich vorstellen.

Die Lasker-Gesellschaft wünscht sich jedenfalls für die Zukunft wieder ein gutes Verhältnis zum Berliner Schachverband, denn die meisten Veranstaltungen der Gesellschaft sollen schließlich in Berlin (und natürlich auch für die Berliner Schachspieler) stattfinden. Eine Veranstaltung in der heute erlebten Weise wird es in den nächsten Jahren regelmäßig geben.

Mit der Amputierten-Initiative hat die Gesellschaft gar nichts zu tun. Es war die Idee des Casino Berlin, den Verein zu beteiligen. Besonders skurril an der Geschichte ist, dass die Amputierten-Initiative im Zusammenhang mit dem heutigen Event tatsächlich noch gar nicht in Erscheinung getreten ist und auch für die Beteiligten gar nicht klar ist, ob sich der Verein überhaupt um diese Veranstaltung gekümmert hat. Bei der Lasker-Gesellschaft hat sich jedenfalls noch keiner gemeldet.

Warum also die ganze Aufregung, die dem Berliner Schachverband jetzt tatsächlich doch noch geschadet hat. Vielleicht wägt man beim nächsten Mal Nutzen und Schaden ein wenig besser ab. Und vielleicht erkundigt man sich auch ein bisschen genauer, bevor man Nachrichtensperren verhängt und Maulkörbe verteilt. Warum nicht mal Größe zeigen und über den eigenen Schatten springen?

Noch ein Glückwunsch aus aktuellem Anlass: Die erste deutsche Schach-Großmeisterin Frau Edith Keller-Hermann, Mitglied der Lasker-Gesellschaft, wird am 17. November 80 Jahre alt. Wir gratulieren sehr herzlich!