Der letzte zug
Eine Erzählung von Markus Epha
Sie hielt den Springer in der hand und senkte ihn auf das schwarze feld.
Herzpochen schlug wie ein gehetztes taktell.
Das endspiel stand ausgeglichen, die position war verwickelt.
Ihre bedenkzeit schrumpfte auf Sekunden, die sich
in der Wahrnehmung dehnten, zu toren wurden,
durch die eine entscheidung marschieren musste
ohne aussieht auf rückkehr.
Blut pochte überschnell.
Die hufe des Springers berührten das feld.
Sie dachte für gesplitterte momente an kasachstan.
An die mutter, die im gulag ihren vater kennen gelernt hatte
als köchin, die ankunft in der fremden sprache und an die
entscheidung, in der schachwelt koordinaten vorzufinden, die
logischer begründung und nicht geschichtlicher Verwerfung unterlagen.
Daß der zug bruchteile vor der regulären fristüberschreitung
das spiel mit einem matt besiegelte, fiel ihr nicht auf.
Sie presste–die finger gegen beiden schläfen,
drückte die abgewinkelten daumen an die lymphdrüsen.
Erst als die antwort der kontrahentin ausblieb
und diese die feuchte handfläche entgegenstreckte, als der applaus
wie aus einem fernen raum anschwoll und sie erreichte, eine welle,
die an die klippen ihrer Wahrnehmung brandete und sie begriff,
dass er niemand anderem gelten konnte, irrte ihr blick
durch die reihen der Zuschauer und suchte vergeblich nach halt.