Diskussionsstellung

Nach den Zügen 1.c4 e5 2.Sc3 Sf6 3.Sf3 Sc6 4.g3 d5 5.cxd5 Sxd5 6.Lg2 Sb6 7.0-0 Le7 entsteht folgende Stellung:

Aufg17Diskussion1 Hier hat Weiß mehrere interessante Möglichkeiten zur Auswahl, darunter 8.a3, 8. d3 und 8.Tb1.

Laut meiner Datenbank wird 8.a3 am häufigsten gespielt. Darauf gibt es die Idee von Shirov den weißen Aufbau mit 8…g5 kämpferisch zu beantworten:

Aufg17Diskusion2

Schwarz möchte nun am Königsflügel seine Bauern in Bewegung setzen, während dessen Weiß am Damenflügel und im Zentrum kontert.

Paar einleitende Fragen:

Wie ist diese Idee einzuschätzen?

Hat jemand bereits Erfahrungen mit dieser Idee gesammelt?

Worauf müssen beide Seiten achten? Gibt es Feinheiten zu beachten?

Mit einer solchen Diskussionsaufgabe möchte ich einen Varianten- und Ideenaustausch zu einer interessanten Stellung herbeiführen.  Die Ideen und Varianten in den Kommentaren (vorausgesetzt, es gibt welche) werden dann nach und nach hier abspielbar sein.

Sollten Stellungen dieser Art auf reges Interesse treffen, werde ich regelmäßig eine Stellung hochladen.

Atila Gajo Figura

10 Gedanken zu „Diskussionsstellung“

  1. Die Idee, auf diese Art über Stellungen zu sprechen, finde ich wunderbar. Leider kann ich gerade zu dieser Position nichts sagen, weil ich bislang fast immer mit 4…Lb4 fortgesetzt habe. Angesichts der Erinnerung an die Möglichkeit, mit 7…g7-g5 Leben in die Bude bringen zu können, ist dieser Beitrag vielleicht eine wertvolle Anregung.

  2. Diese Variante kam auch in der Meisterklasse diesen Jahres auf’s Brett (Schlemermeyer – Schmidt-Schäffer 0:1). Ich finde Sie äußerst interessant, da es hierin eine von wenigen Möglichkeit gibt gegen das dröge Englisch ein scharfes Spiel aufzuziehen. Die Variante wollte ich ohnehín in mein “Giftmüll-Repertoire” einbauen und somit werde ich mich sicherlich an der Diskussion beteiligen. Die erste Frage (analysiert habe ich noch gar nix) besteht schon mal darin, ob sie auch gegen die anderen Hauptvarianten spielbar ist (also 7. d3 oder Tb1). Auf den schnellen Blick sehe ich jedenfalls keine schlagenden Gegenargumente.

  3. Es ist nur logisch, dass es zwischen 8.a3, 8.d3 und 8.Tb1 Unterschiede gibt. Mein Vorschlag ist, dass zunächst die weißen Ideen ohne 8.d3 untersucht werden:

    8.a3 g5 9.d4!?
    8.a3 g5 9.b4 nach 9…g4 kann der Springer f3 über e1 nach d3 gelangen und damit den Druck gegen e5 erhöhen.

    8.Tb1 g5 9.b4!? g4 10.Se1 Sxb4
    8.Tb1 g5 9.a4!? macht auch Sinn, da die normale schwarze Antwort 9…a5 eigentlich nicht zur 0-0-0 passt.

    Wie sind diese Abspiele zu bewerten?

  4. Ja, schöne Idee mit der Stellungsdiskussion!

    Theoretisch scheint mir die schwarze Idee 8.-g5!? ganz ok zu sein. Kurz zum Hintergrund der Ideen:

    Im Drachen bzw. Drachen mit vertauschten Farben ist der Vorstoß d6(7)-d5 bzw. d3(d2)-d4 der wichtigste Hebel in der Stellung. Daher ist die Kontrolle von d5 bzw. d4 immer sehr wichtig. Allerdings wird die Sache dadurch kompliziert, dass d5 mit Ausgleich für Schwarz befriedigend ist, während d4 mit Ausgleich für Weiß nicht ganz so toll ist.

    Darin liegt Begründung von 8.a3. Das unmittelbare Spiel auf d4 (etwa mit d3 und Le3) bringt keinen Vorteil. Daher versucht es Weiß der etwas indirekten Strategie, mit b4 am Damenflügel vorzugehen. Das ginge natürlich auch mittels 8.d3 und 9.a3. Aber dann hätte Schwarz mehr Möglichkeiten. Mit 8.a3 0-0 9.b4 Le6 10.Tb1(!) erzwingt Weiß praktisch 10.-f6. Bei anderen Zugfolgen ist dies wegen der Kombination von Le6 und Sc6-d4 nicht so. Kurz: Diese Variante ist so etwas wie die Hauptvariante, ziemlich unklar übrigens.

    Aber es geht ja um 8.-g5!?. Kann Weiß nicht auch so gegen den normalen Drachen spielen? Erstaunlicherweise kaum. Weder mit oder ohne Le3 ist der Vorstoß g4 sonderlich attraktiv für den Anziehenden. – Wie ich gerade bemerke, gibt es dazu sogar eine alte Partie von mir in den Datenbanken. – So scheint es sich hier um eines der Abspiele zu handeln, die erst mit Minustempo und mit Schwarz interessant werden, weil sie sich nicht widerlegen lassen.

    Soviel erstmal.
    Wilhelm

  5. Klingt gut, Wilhelm, wie man es von dir gewöhnt ist…..

    Ich fahre allerdings jetzt erst mal in die Ferien.

    Gruß

    Peter

  6. Bon voyage, Peter!
    Wilhelm
    (“Es ist ein angenehmes Gefühl, auf dem Rücken zu liegen und den leichten, weißen Wolken nachzueifern mit reiselustigen Gedanken.” – Paul Zech)

  7. Wenn ich auf eine interessante Stellung treffe und mal wenig Zeit habe mich damit zu beschäftigen, nutze ich die Möglichkeiten der Schachprogramme. Ich stelle verschiedene Schachengines in einem Thematurnier zusammen und lasse Sie mal doppelrundig gegeneinander antreten. Sowohl kommerzielle als auch Freeware Engines haben heute eine hohe Spielstärke und auch ihr “Spielverständnis” hat inzwischen ein sehr hohes Niveau erreicht. Sinnvolle, auf lange Sicht angelegte Pläne werden konsequent durchgezogen.

    Das Ergebnis aus 12 Partien zu 8. a3 g5 ergab 50 %, was für die Korrektheit von 8. … g5 spricht, denn normalerweise hat Weiss in ausgeglichener Stellung meist einen kleinen Anzugsvorteil.

    Die häufigsten Fortsetzungen sind 9. b4 und 9. d3. Die Programme spielen, soweit ich die Partien bisher angesehen habe, schöne Flügelangriffe auf beiden Seiten.

    Interessant fand ich, dass häufig der e5-Bauer, wie ein eingeschlagener Nagel, für lange Zeit in der Brettmitte stand. Statt nach Le3 mit d4 zu hebeln, haben die Programme durchaus eigene Ideen. c5 scheint ein interessantes Manövrierfeld zu sein. Dort taucht dann mal der Sc3 oder der Le3 auf. Schwarz findet, da er seine vielen vorgeschobenen Bauern gedeckt halten muss, keine Gelegenheit zur langen Rochade, sondern bleibt lange mit dem König in der Ausgangsstellung.

    Wer mutig genug ist, den schwarzen König schon im Mittelspiel zur Unterstützung des Angriffs mit ins Zentrum zu nehmen, darf gern g5 spielen. Allerdings sollte er auf gegnerische Opfer gefasst sein. Mal sehen, vielleicht stelle ich ein paar nette Varianten/Stellungen dazu bei Gelegenheit ins Netz.

  8. Marin schreibt in seinem Englisch-Buch 1.c4 e5, dass bemerkenswerterweise das verfrühte 8…g5?! häufig gespielt worden ist, selbst von Großmeistern. Er schlägt 9.d4! vor. Wie üblich sollte eine verfehlte Aktivität am Flügel mit einem Gegenschlag im zentrum beantwortet werden. 9…exd4 10.Sb5 0-0 (Lf6?! 11.Lxg5! Lxg5 12.Sxg5 Dxg5 13.Sxc7 Ke7 14.Lxc6 bxc6 15.Sxa8 Sxa8 16.Dxd4+-) 11.Sbxd4 Sxd4 12.Sxd4 Lf6 13.Sb5 Die Initiative von Schwarz bietet keine ausreichende Kompensation für die chronische Schwäche des schwarzen Königsflügels.

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