Eiszeit

Die Kette springt! Mühsam kämpfe ich mich bei Schneetreiben und Glätte mit dem Rad den Tempelhofer Berg hoch. Von der Germania- rein in die Felixstrasse und dann doch wieder falsch in die Götz- abgebogen. Wo war die Sportanlage der Tempelhofer nochmal? 2. OG soll es sein. Nach etwas rumkurven dann doch das Sportheim gefunden. Klaudijo verwechselt die Grünanlage mit einem Parkplatz. Sieht ja auch mehr wie eine Weissanlage aus. Zum Glück geht’s nur eine Treppe hoch, denn das zweite ist schon das Dach. Gerade wird die erste Uhr an Wolfgangs Brett gestartet und auch Jan trifft noch rechtzeitig ein. Klaus Körtings Vermutung hat sich nicht bestätigt. Die Tempelhofer stellen kein B-Team auf, wollen Punkte einfahren. Schade, Ulrich Giese könnten wir heute gebrauchen; er feiert Weihnachten. Muss auch mal sein.
Wir stehen alle mehr oder weniger schlecht. Wolfgang baut sich à la Bird-Larsen auf, zieht aggressiv b2-b4 statt b2-b3. Früh wird der Damenflügel expandiert und festgelegt, aber irgendwie geht es nicht weiter, denn Schwarz übt kontinuierlich Figurendruck auf das Zentrum aus. Mutig geht er mit Dame und einigen Leichtfiguren am Königsflügel vor und bringt seinen Gegner in Bedrängnis. Ein Bauer laviert sich bei geschlossenem Zentrum bis nach f7 durch, es knackt im Gebälk, aber der Schuppen bleibt stehen.
Ich habe wieder zum Üben einen Dameninder auf das Brett gelegt. Weiss kommt zu d4-d5 und ich muss ein paar Zugeständnisse an meine Stellung machen. Nach Hebelei bleibt mir ein rückständiger d6-Isolani, aber ich konnte den weissen Königsflügel etwas verbeulen. Weiss laviert schön seine Figuren über d5 und ich tausche wenn möglich, bei gleichzeitigem Gegendruck auf den vorgepreschten weissen e4-Bauern.
Klaudijos Sizilianer sieht nicht gut aus. Er hat zwar mit c4 und d5 zwei verbundene Freibauern, aber auch der Gegner ist nicht zurückhaltend und hat ebenfalls zwei starke Bauern auf e4 und f5. Da Klaudijos Figuren nicht richtig zusammenspielen ist er bald einen Bauer zurück.
Jan greift ebenfalls Sizilianisch an, ist aber zu optimistisch. Zwar verleibt er sich alle drei Bauern der weissen Rochadestellung ein, bei der Kombiniererei sind aber auch bei ihm eine Leichtfigur und ein Damenflügel-Bauer auf der Strecke geblieben. Der Angriff schlägt nicht durch. Ich sehe ihm an: “Das ging schief!”
Zur Halbzeit ist er dann auch der erste der die Hand über den Tisch reicht. Noch immer hat sich keiner der Bauern seines Königsflügels bewegt und die Schwerfiguren von Weiss sind in seine Stellung eingedrungen. 1-0 für Tempelhof.
Ein Viertelstündchen später ist es auch bei Klaudijo aus. 2-0 für Tempelhof.
Mit ruhigen Zügen verteidige ich den Schwächling auf d6. Decke mal von hinten, mal von der Seite; alle helfen mit. Als mein Gegner mit dem König nach vorne geht um mich mit e-, f- und g-Bauer zu überwältigen, bekomme ich nach geduldigem Warten auf den richtigen Zeitpunkt, die Gelegenheit um meinen Turm, der sich nach h6 verlaufen hat, zu befreien. Nach einem scharfen Zug mit Remis-Angebot hatte mein Gegner doch etwas Muffe meinen Springer freizulassen und verzettelt sich. Es kostete zwar den Isolani, aber ich hatte jetzt Spiel und meinem Gegner wird die Zeit langsam knapp. In einem letztlich doch noch ausgeglichenen Turmendspiel biete ich Remis und bei 1,5 gegen 13 Minuten ist mein Gegner jetzt doch bereit, das Remis-Angebot anzunehmen. 2,5-0,5 für Tempelhof.
Wolfgang versucht auch ein Remisangebot zu unterbreiten, aber die vorgeschobenen Bauern sind schwer zu verteidigen. Die Qualität die der Gegner schon hat, gibt er mit Bauernplus zurück und legt los. Bei nur noch je 5 Minuten auf beiden Uhren entwickelt sich ein rasantes Blitzduell, bei dem auch der mitschreibende ML der Tempelhofer bald nicht mehr nachkommt. Wolfgang verguckt sich und reklamiert fälschlich Blättchenfall. Am Ende reicht es aber nicht. 3,5-0,5 für Tempelhof.
Es schneit immer noch. Jan ist schon weg, Wolfgang steigt noch zu Klaudijo in’s Auto und ich schiebe den Schnee vom Sattel. So kalt ist es dann doch nicht. (Und keiner wirft sich vor ein Fahrrad, Atila!)
Andreas Lange

Die Tabelle der Feierabendliga 2010/11 Staffel B, Spieltag 3, 14.12.2010:

SK Tempelhof 1                       – SC Kreuzberg 3                      3,5-0,5
Wolfgang Baumeister (1662)      – Dr. Martin Schmidbauer  (2216) 0-1
André Buttkus (2031)                 – Andreas Lange (1811)               0,5-0,5
Klaudijo Uckar (1765)                 – Daut Tahiri (2008)                     0-1
Hans-Peter Ketterling (1686)      – Jan Kretzschmar (1616)             1-0

3 Gedanken zu „Eiszeit“

  1. Schach ist ein spannender Sport. Geschichten über Schach bringen Menschen zum Spiel. Die Vereins-Webseite ist die Lesebühne für die Geschichten. Manchmal geht das Spiel auch für den Einen schlecht aus, aber das Erlebte ist, was zählt. Nackte Statistiken als Spielberichte sind so langweilig, wie die Produktionszahlen der letzten Tomatenernte.

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