Turnierbericht von Dirk Sander
Nach fast zwei Jahren fand ich es – dank der Corona-Lockerungen – an der Zeit, wieder ein „echtes“ Turnier am Brett zu spielen. Den Gedanken hatten wohl viele Schachspieler, das Bamberg-Open (28.7.-1.8.) war schnell ausgebucht. Zum Glück hatte ich mein Startgeld aber rechtzeitig überwiesen.
Gemeldet hatte ich für die A-Gruppe, war dort auf Setzlistenplatz 80 (von 89) eingeordnet. Ich wusste also, dass sieben harte Runden bevorstehen. Aber ich wollte starke Gegnerschaft, um zu sehen, wo ich nach knapp zwei Jahren Online-Schach stehe.
Gleich am Anreisetag eine erste Lehrstunde: Ich hatte einen Bauern geopfert, doch mein Angriff schlug nicht durch. Zurück bliebt das hier:
Nach vier Stunden Spielzeit das Partieende herbeisehnend, zog ich hier ohne zu zögern 56. Df3 und war überrascht, dass mein Gegner ebenfalls sofort in 60. … Dxf3+ 61. Kxf3 einwilligte. Das Bauernendspiel Eins gegen Zwei – zumal mit Randbauern – ist ja nun ohne Zweifel Remis! Oder wisst Ihr es besser?
Für Details verweise ich auf de la Villas Endspiel-Bibel („100 Endgames You Must Know“), Seite 190 ff. Ich gebe zu, ich hatte keine Ahnung und lernte nach mehr als vier Jahrzehnten Schach etwas dazu, was ich nicht wieder vergessen werde. Anders mein 15-jähriger Gegner in der Analyse: „Na das ist ja klar, dass das verloren ist,“ meinte er trocken.
In diesem Stil ging es am nächsten Tag weiter: Nach dem ereignisarmen Schwarz-Remis am Morgen sollte am Nachmittag der volle Punkt her. Tatsächlich hatte ich meinen Gegner aus der Eröffnung heraus überspielt (Stockfish 12: +3.25), fand jedoch die Gewinnabwicklung nicht, kam in Zeitnot und … ihr ahnt es. Diesmal landete ich im Endspiel K+D gegen K+D+B (hier: auf g5), in dem es mir (und auch der Engine) nicht gelang, den Freibauern aufzuhalten. Nach 102 Zügen (es war 22.30 Uhr und der Turniersaal leer) gab ich auf.
Damit war der Start misslungen: ein Remis, zwei Niederlagen.
Tag 3 brachte zunächst die ersehnte Erholungspause. Der freie Vormittag gehörte einem ausgiebigen Bummel durchs sonnig-warme Bamberg. In kurz: Eine der schönsten und lebendigsten Städte in Deutschland, die ich gesehen habe. Eine echte Entdeckung!
Am Spätnachmittag dann wieder ans Brett. Und wieder sah es schlecht aus: Im Londoner System unterlief mir früh ein Fehler (Varianten verwechselt), es drohte die nächste „Null“. Doch auch der Gegner patzte, ich konnte die Stellung mit Mühe zusammenhalten und das Remis erkämpfen. Glück gehabt.
Zwischenbilanz: 1 aus 4 war sicher kein „Wunschergebnis“. Angesichts der Partieverläufe, erst Unvermögen und dann Pech im Endspiel und der starken Gegnerschaft konnte ich mich kaum beschweren. Aber in den drei Runden am Samstag und Sonntag sollte dann doch noch der eine oder andere Punkt her.
Doch wieder wurde es heikel. Diesmal zog ich in einem Tarrasch-Abspiel zu schnell, lief in einen Konter und musste eine Figur – immerhin für zwei Bauern und etwas Angriff – geben. Die Sache ging gut, ich rettet mich in ein Remis. Aber ein Sieg schien weiter in Ferne.
Noch zwei Versuche, der nächste am Samstagnachmittag: Es begann zunächst gut, ich hatte den Gegner „auspräpariert“, der Veresow-Angriff (1. d4 d5 2. Sc3) keine Überraschung. Doch dann wich er ab – und ich griff daneben und schon im 13. Zug musste ich die Qualität geben, um überhaupt noch in der Partie zu bleiben. Ich war bedient: Das Turnier drohte zum Desaster zu werden, ich spielte zügig und lustlos vor mich hin.
Dann stand nach 52. e5?? folgende Stellung auf dem Brett:
Sehr ihr, was nun passiert?
Danach hatte ich irgendwie das Gefühl, mich bei meinem völlig konsternierten Gegner entschuldigen zu müssen. Andererseits war ich froh über den ersten vollen Punkt und darüber, meine Chance genutzt zu haben, als sie (unverhofft) kam. Der Tag war gerettet.
Und es kam noch besser: Am Abreisetag gelang mir ein weiterer Erfolg. Das Damenopfer meines Gegners (gegen T+S) mag nötig und die Stellung theoretisch haltbar gewesen sein- Doch gerade als er eine „Festung“ einnehmen konnte, fand er die richtige Fortsetzung nicht und nach einer Serie von Damenzügen fiel der Springer …
Ende gut, alles gut: Mit 50% (+2, -2, =3) in diesem Feld hatte ich kaum rechnen können – erst recht nicht nach dem schwierigen Start. Lohn waren 20 DWZ-Punkte und vor allem: fünf anstrengende, aber irgendwie auch sehr schöne Tage in Bamberg.
Das Turnier gewann FM Jonas Hacker (SC Eppingen) vor dem slowakischen IM Stefan Mazur. Die Organisation war tadellos: engagiert, unaufgeregt, freundlich. Beeindruckend, wie gut der traditionsreiche SC 1868 Bamberg, die Stadt und der lokale Hauptsponsor (LGA – Landesgewerbeanstalt Bayern, stiftet auch alle Preise) Hand in Hand zusammenarbeiten.
Bamberg kann ich euch allen nur empfehlen – als Schachturnier (2022 soll es dann wieder traditionell zu Himmelfahrt stattfinden) oder einfach nur als sehenswertes Ausflugsziel!
Vielen Dank an Dirk für den Turnierbericht! Davon würden wir uns mehr wünschen.
Danke! – Mal sehen, ob noch Jemand das “Rätzel” im zweiten Diagramm löst …!? :-)
Auch von mir vielen Dank für den Bericht! Allerdings hätte ich tatsächlich gedacht, dass in beiden Diagramm-Stellungen ein Remis heraus kommt… Wie ging es denn weiter?
Nein Mark, das Endspiel h-Bauer gegen g+h-Bauer ist – wie gesagt – immer verloren. Findet man bei de la Villa und vermutlich auch in vielen anderen Endspielbüchern. Und zur Stellung im zweiten Diagramm: Hast Du (oder Jemand anderes) einen Vorschlag für eine Variante … ? ;-)
Mit 52. … Lxd4 53. Kxd4 Lc6 54. Ta2? Lg2 kann der h-Bauer nicht blockiert werden. Weiß muss daher seinen zentralisierten König einsetzen. 54. Kc5! Lg2 55. Kd6! h2 56. Ke7! hält remis.
Also ich habe mir zunächst das Bauernendspiel noch einmal genau angesehen. Die Endgame Tablebase (etwa http://www.k4it.de/index.php?topic=egtb&lang=de) sagt für die FEN 8/6kp/6p1/8/8/5K1P/8/8 b – – 0 1 für alle möglichen Züge von schwarz “Remis”. Entweder die Tablebase irrt hier oder Weiß hat nicht das beste Abspiel gefunden. Daher ja meine Ursprungsfrage: “wie ging es denn weiter?”.