Berliner Schachgeschichte(n), Ausgabe 8

Der Verteidiger des Werner, Rechtsanwalt Dr. Ivers erklärte, daß er den Antrag vorweg nehmen wolle. Anständigerweise könne er sich dem Antrage des Staatsanwalts auf Anwendung des höchsten Strafmaßes nur anschließen. Es sei schwer, selbst für den Verteidiger, einen Milderungsgrund für die grause Tat zu finden, welche die jugendlichen Angeklagten begangen haben. Die Mutter des Werner habe selbst gesagt: »Meinem Jungen ist nicht zu helfen! Ich renne wie wild in den Straßen herum und bitte Gott, daß er mich eine Nacht schlafen läßt.« Die sämtlichen strafbaren Handlungen, welche dem letzten schwersten Verbrechen vorangingen, geben so recht deutlich das Bild einer Verbrecherlaufbahn und zeigen, wie chronologisch einer Straftat immer eine andere schwerere folgte. Der Verteidiger sei im vorliegenden Falle in der Lage, mit dem Staatsanwalt gegen den Angeklagten das zulässig höchste Strafmaß zu beantragen).

Der Verteidiger Rechtsanwalt Hoffstädt, der den Angeklagten Grosse zu verteidigen hatte, führte aus, daß bald nach Begehung der Tat in Anwaltskreisen die Frage erörtert worden sei, wer werden die unglücklichen Anwälte sein, die diese beiden Mordgesellen zu verteidigen haben werden? Freiwillig würde sich niemand zu der Verteidigung gemeldet haben, und so könne er das Gefühl des Neides nicht unterdrücken, daß der Vertreter der Anklagebehörde sich habe aussprechen können, wie ihm ums Herz war. Er sei Offizialverteidiger und müsse seine Pflicht tun. Übereinstimmend habe sich über die Verwerflichkeit des furchtbaren Verbrechens nur Verdammung geäußert, nur eine Feder habe sich gefunden, welche in Hardens »Zukunft« die Tat in ein milderes Licht zu stellen versucht und unter anderem angeführt habe, daß Justizrat Levy die Arbeit des Werner nicht genügend gelohnt habe. Dies sei völlig unrichtig, denn Werner habe selbst zugegeben, daß er außer 25 Mark Monatslohn noch täglich Mittagessen erhalten habe. Es habe also zwischen dem Ermordeten und seinem Schreiberlehrling gewissermaßen ein patriarchalisches Verhältnis bestanden. Der Verteidiger suchte sodann auszuführen, daß die Angeklagten keine Berufsverbrecher seien, denn solche würden sich nicht so dumm und töricht benommen haben, wie die Angeklagten es getan. Das Verbrechen könne eigentlich als ein, allerdings von den furchtbarsten Folgen begleiteter »Dummerjungenstreich« bezeichnet werden. Der Verteidiger meinte sodann, daß Grosse wohl derjenige gewesen sei, der unter dem Einflusse des viel gewitzteren Werner gestanden habe. Über das Strafmaß wolle er nicht sprechen, er wisse, daß er zu Richtern rede, die nicht abweichen würden von dem alten Grundsatz: »Fiat justitia!«

Das Wort wurde alsdann dem Angeklagten Werner erteilt. Mit fester Stimme erklärte er, es sei nicht richtig, daß er den Grosse verführt habe. Umgekehrt sei es wahr. Grosse habe noch verschiedene Diebstähle und Schlechtigkeiten begangen. Schon in der Schule habe er Bücher gestohlen und sie verkauft. Er habe auch ihn zu überreden versucht, mit einer größeren Summe durchzubrennen, sobald ihm eine solche anvertraut werde.

Der Angeklagte Grosse bezeichnete dies als Unwahrheiten. Seine Mutter habe ihn stets vor Werner gewarnt und gesagt, er solle nicht mit ihm umgehen, denn er habe nichts Gutes im Kopfe.

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