Berliner Schachgeschichte(n), Ausgabe 15

Neue Vereine in der Zeit der Weimarer Republik

In den „Wilden Zwanzigern“ wurden weitere Schachvereine in Kreuzberg gegründet. Zunächst am 16. April 1925 der „Berliner Schachklub Caïssa“ im „Wiener Garten“, Wiener Str. 10. Ranneforth’s Schachkalender 1926  benennt die Mitgliederzahl mit 30. Man blieb jedoch nur zwei Jahre. 1929 richtete die SA im „Wiener Garten“ ein Sturmlokal[17]  ein. Im Keller des Lokals wurde die Kegelbahn in einen Versammlungsraum für bis zu 400 Personen umgebaut. Es folgten Steinwürfe auf die Schaufensterscheiben und nationalsozialistische Besucher wurden von KPD-Anhängern angegriffen. Der Umzug 1927[18]  nach „Schills Krokodil“ im Hochbahnhof Schlesisches Tor stellte den neuen Vorsitzenden, den Bankbeamten Karl Schikowsky vor neue Probleme.[19] Der Fleischfabrikant Schill betrieb mehrere Lokale in Berlin und weiteren deutschen Städten. Dort servierte er seinen Gästen preiswerte Gerichte, z. B. Buletten und Hackepeter-Brötchen. Sein Personal in Berlin wurde jedoch, wenn überhaupt, schlecht bezahlt, wie Berichten über Prozesse an den Kaufmannsgerichten aus der Tagespresse[20]  zu entnehmen ist. Es kam zu Streiks. Schills Lösung war die Beschäftigung von fachfremdem Personal aus den Reihen der sog. „Ringvereine “[21]. Die Ringvereine bildeten ein Sammelbecken für Kriminelle, man erkannte sich gegenseitig am Siegelring und kontrollierte bedeutende Teile des Berliner Nachtlebens. Berufsbezeichnungen wie Kellner o. Ä. gaukelten gegenüber Behörden eine seriöse Anstellung vor. „Muskel-Adolf “[22]wird als möglicher Berater[23] bei Fritz Langs Film „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931) genannt. Er wird wohl auch anderen Mitgliedern eine Komparserie verschafft haben. Die „Arthur Schill Fleischwerk GmbH“ erlosch[24]  im Januar 1933. Die perfekte Verkehrslage im Hochbahnhof konnte die Nachteile nicht wettmachen und 1929[25] packte Caïssa die Schachutensilien zusammen und wechselte ins „Prinz-Albrecht-Café“ in der Wilhelmstraße 39. Aber auch hier hielt es den Verein nicht lange, denn schon 1930[8,26] stand ein weiterer Umzug ins „Restaurant Huisgen“, Planufer 22 an. 1932[7,27] verließ man den Stadtbezirk. Das „Café Windelbandt“, Seydelstr. 31, dicht am Spittelmarkt wurde als neues Domizil erkoren. Man spielte donnerstags und wenn man Lust auf häufigeres Spiel hatte, setzte man sich ins „Café Kneller“, Seydelstr. 30. Dort war bereits 1925[5,6] freier Schachverkehr möglich.

Aus dem „Restaurant Franke“[28], Neue Grünstr. 15, ebenfalls nahe dem Spittelmarkt, zog es 1930 den „Schachklub Turm Berlin 1928“ nach Kreuzberg. Eigentlich war die Gegend um den Spittelmarkt beliebt. Hier gab es mehrere Spielangebote. Freien Schachverkehr und auch Turniere pflegte man schon 1893 im „Café Royal“ (ab 1920 „Café Eldorado“), Beuth- Ecke Kommandantenstraße.

Die Katholiken hatten mit der „Schachgilde des D.H.V.“ im „Gebäude des Deutschen Handlungsgehilfen-Verbandes“, Neue Grünstr. 19, Aufgang 3, Zimmer 6 eine weitere Spielstätte. Fußläufig war die „Schachabteilung des Vereins junger Kaufleute“, Kommandantenstr. 20, ebenfalls dem „Katholischen Schachbund“ angehörig, erreichbar.

Im Jahr 1931 nennt der Berliner Schachführer als neue Anschrift des „Schachverein Turm Berlin 1928“ den „Skalitzer Hof“, Skalitzerstr. 41. Spieltag Donnerstag.

Nur kurze Erwähnung als angehöriger Verein des Berliner Schachverbands fand 1928 der „Turnverein Eintracht“, Ernst Szepaniak, Pücklerstr. 38. 1930 wird die Auflösung des Vereins gemeldet. Eine Partie Szepaniak-Michel in den Deutschen Schachblättern 1939 zeigt, dass hier nicht ausschließlich geturnt wurde.

Die zahlenmäßige und spielerische Dominanz weniger Großvereine machte Meisterschaftskämpfe zunehmend unattraktiv für kleine Vereine. Durch eine organisatorische Aufteilung Berlins in Bezirke und eine Quotierung der Berechtigung zur Teilnahme an Berliner Meisterschaften konnte der „Berliner Schachverband“ ein Gegengewicht schaffen. Zwei seiner Bezirksleiter wohnten in Kreuzberg: Den „Sportbezirk“[8] leitete bereits offiziell Johann Feier, Muskauer Str. 54. Sein Bereich umfasste die Vereine Sport-Club Charlottenburg, Polizeisportverein, Bewag, Osram, Postsportverein und Bar-Kochba. Edmund Nebermann, Fichtestr. 16, Schachwart beim Schachklub Südwest war zum „vorläufigen Vorsitzenden des Innenbezirks“[8] benannt worden und zuständig für die in Aussicht genommenen Vereine Turm, Südwest, Caissa, Deutsch-Russen, Anderssen, Walbrodt, AEG, Schachverein 06 und Turm 28.

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