Der Großdeutsche Schachbund
Wie zu früheren Kongressen des „Deutschen Schachbundes“ wurde auch 1932 ein „Organisations-Ausschuss“ gebildet. Die Leitung des OA übernahm Ehrhardt Post, der den geplanten Kongress im Juli 1933 in Pyrmont vorbereitete. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten[16] Ende Januar 1933 machte auch vor den Schachverbänden nicht halt. Innerhalb weniger Monate[29] wurde der Schachbetrieb in Deutschland nach dem Führerprinzip[30] neu organisiert. Die Vorstände des „Deutschen Schachbundes“, der Jude Robinow und sein Stellvertreter, der DVP-Politiker Dr. Höhnen wurden ihrer Ämter enthoben[15] und dem OA am 20. Februar bis zu einer „endgültigen Neuregulierung“ die Fortführung seiner „segensreichen Arbeit“ gewünscht. Am 23. April traten auf einer Tagung in Berlin die Verbände in den „Großdeutschen Schachbund“ ein. Das verbliebene Mitglied des DSB Kiok trat „freiwillig“ zurück. Mit einer Werbewoche vom 23.-28. Mai wurde Schach nun als „Volksspiel der Deutschen“ propagiert. Weil im Mai 1933 auch Dr. Joseph Goebbels den Ehrenvorsitz des GSB übernahm war die offizielle Gründung auf dem nun „1. Kongress des Großdeutschen Schachbundes“[31] am 9.7.1933 nur eine Formsache. Die Arbeiter-Schachvereine waren schon im Februar aufgelöst worden. Die Gleichschaltung war erfolgt. Auch der dreifache Deutsche Meister Efim Bogoljubow konnte nach 1933 nicht mehr an der Deutschen Meisterschaft teilnehmen; er war zwar deutscher Staatsangehöriger, aber nicht „deutschen Blutes“. Mäzene organisiertem dem Berufsspieler 1934 ein WM-Match mit Alexander Aljechin.
Ein Erlass Adolf Hitlers vom 8.7.1933, kurz vor Inkrafttreten des Reichskonkordats[32] am 20.7.1933, verschaffte den katholischen Verbänden noch eine Gnadenfrist. Aus nichtigen Anlässen wurden jedoch schrittweise bis 1937 ihre Schriften und Verbände verboten.
Die jüdischen Vereine Deutschlands, z.B. der Berliner Sport-Spartenverein „Bar Kochba-Hakoah“, wurden ausgegrenzt; sie gründeten in zweijähriger Vorbereitung eigene Vereine und Verbände. Zwischen 1935[33,34] und 1938[35] konnte man noch dreimal den „Jüdischen Schachmeister von Deutschland“ ausspielen. Eine „Jüdische Berliner Meisterschaft 1936“ unter drei Berliner jüdischen Vereinen wird erwähnt[36] (Vermutlich Bar Kochba-Hakoah, Blau-Weiß-Gold Berlin und Berliner Zionistische Vereinigung (BZV) Berlin). Nach den Pogromen 1938 waren dann auch diese Möglichkeiten genommen worden.
Fast alle Vereine behielten ihren Namen, jedoch wurde dieser nicht mehr hervorgehoben. Der „Pankower Schachklub Springer e.V.“, gegr. 1924, wurde 1933 aufgelöst und ohne „nicht-arische“ Mitglieder als „Nationalsozialistische Schachgemeinschaft Springer Pankow“[37] neu gegründet. Die Organisationsstruktur im „Berliner Schachverband“ und der „Interessengemeinschaft der Groß-Berliner Arbeiter-Schachvereine“ dienten als Vorbild des neuen Verbandes. Es erfolgte eine Unterteilung in Bezirke und Gruppen. Den Vereinen wurde ein Kassen- und ein Propagandawart verordnet.
Eine der ersten Gründungen des GSB war im Ostbezirk die „Ortsgruppe Kottbuser Tor“ in Ewald’s Vereinshaus, Skalitzer Str. 126. Spielabend donnerstags ab 8 Uhr. Ortsgruppenleiter Herbst und Becker. Der Verein entnahm seine Stamm-Mannschaft dem bisherigen SK Caïssa. Gruppenleiter P. Furchert, Berlin O112, Simon-Dach-Str. 14. Die Neugruppierung der Vereine war Ende 1933 abgeschlossen. Ein weiterer Kreuzberger Anlaufpunkt im Bezirk Süden war die „Ortsgruppe Kreuzberg“, Conditorei Victoria, Yorkstr. 80 (manchmal falsch auch Gneisenaustr. 80 angegeben[38]), früher Spiellokal des Schachklub Südwest. Der SS-Mann Helmut Pruske leitete die Gruppe Süden.
Im Jahr 1935 wurden die Gruppen neu zusammengefasst. Die Gruppenleitung Südwesten wechselte zu Otto Bergmann, Berlin-Steglitz, Schloßstr. 28. Zur Gruppe Südwesten gehörte nun auch die „Ortsgruppe Kreuzberg“. Zu der Gruppe Osten, Leiter Adalbert Schulze, Berlin-Friedrichsfelde, Walderseestr. 29, kam zusätzlich eine „Ortsgruppe Schlesisches Tor“, „Rest. Torkrug “. (Ein späteres gleichnamiges Restaurant im U-Bahnhof Schlesisches Tor[39] bestand bis in die 70er Jahre.)
1936 zog die Ortsgruppe „Cottbusser Tor“ zum Planufer 75/78. Den Freiraum in Ewald’s Vereinshaus übernahm der T. S. V. „Blau-Weiß“. Die Leitung des Ostbezirks lag bei Werner Wolff, Berlin N 65, Fennstr. 43. In diesem Jahr werden letztmals, wenn auch nur wenige Vereine mit ihren ursprünglichen Namen im Berliner Adressbuch genannt. Ab 1937 werden nur noch die Gruppenleiter aufgelistet. Die Zahl der genannten Adressen sinkt weiter. Edmund Nebermann, war ab dann Vorsitzender eines „Schachklub Kreuzberg“. Genannt wird nur seine Privatadresse Fichtestr. 16. In Ranneforth’s Schachkalender werden nur noch die Leiter der fünf Bezirke Westen, Osten, Süden, Norden und Sportbezirk aufgelistet. Auskunftsfreudiger ist das Mitteilungsblatt des Berliner Schachverbandes. Im Juli 1938 hat die „Ortsgruppe Kreuzberg“ ihr Spiellokal in „Heinrichs Bierstuben“[40], Belle-Alliance-Str. 50 am U-Bhf. Flughafen (heute Mehringdamm nahe Dudenstraße). Gespielt wird montags und freitags. Die Vereinnahmung der Tradition des „Schachklub Südwest“ zeigt sich 1938 in einem Turnier zum 25-jährigen (!) Bestehen des „Schachklub Kreuzberg“: 1. Nebermann (Kreuzberg), 2. Oppermann (Zehlendorf), 3. Scheschonka (Kreuzberg), 4. Virag (Kreuzberg).
Die „Schachgruppe Kreuzberg“ unter der Leitung von Edmund Nebermann spielte 1942 im Kaffee Germaniapalast[41], Berlin SW, Belle-Alliance-Str. 7/10.
Im Bezirk Osten leitete 1942 Heinrich Probst, Berlin SO36, Melchiorstr. 11 den Verein „Cottbuser Tor“, Lokal Pratter[41], Berlin SO, Oranienstr. 31. 1938 ist noch Restaurant Wollschläger[42] in SO36 genannt, Adalbertstr. 21[39].
1944 gewinnt Rudolf Teschner noch einmal die Berliner Meisterschaft. Am 10.8.1944 wird ein Veranstaltungsverbot erlassen. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels gibt in seiner Eigenschaft als Reichsbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz bekannt, dass “alle öffentlichen Veranstaltungen nicht kriegsmäßigen Charakters, … die nicht der unmittelbaren Förderung unserer gemeinsamen Kriegsanstrengungen dienen” zu unterbleiben haben. Er ist außerdem Regierungspräsident von Berlin, Oberpräsident, Polizeipräsident, Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar von Berlin. Damit fielen auch alle Schachveranstaltungen bis zum Kriegsende aus.